1 Jahr nach dem 7. Oktober: Antisemitismus entschlossen bekämpfen – ob auf der Sonnenallee, im Regierungsviertel oder in Pirna!


Das schlimmste antisemitische Massaker seit 1945: verübt am 7. Oktober 2023.

Verübt von den religiösen Fanatikern der Hamas und ihren Verbündeten, die bis hin zu “linken” palästinensischen Gruppen wie die PFLP und DFLP reichten.

Ein Massaker: das fassungslos machen sollte. Traurig, verzweifelt. Aber auch: wütend. Und mitfühlend.

Was auch vor Augen führt: Antisemitismus lebt, er ist enorm vital. Er bündelt enorme Gewalt- und Vernichtungspotenziale, Ressourcen, Menschenmassen.

Wer geplant Babies ermordet, Eltern vor den Augen ihrer Kinder foltert, Wehrlose zur Geisel nimmt, und sich damit in Livestreams brüstet: ist kein Widerstandskämpfer. Sondern ein Menschenfeind allerersten Grades. Ein_e Judenhasser_in par excellence.

Mit dem Agieren des israelischen Staates, ob dieser nun von einer linken oder rechten Regierung regiert wird, haben diese Taten nichts zu tun. Um das zu verstehen, genügt schon der Hinweis auf die hinter Hamas stehende Islamische Republik Iran. Also ein Staat, der den Zionismus zum Erzfeind erkoren hat, ohne von Israel besetzt noch sonstwie “unterdrückt” zu werden.

Linkes Schweigen, linke Ver(k)ehrung
Dem menschlich naheliegenden Entsetzen über den 7.10. entgegen: haben viele Linke zum Judenmord der Hamas lautstark geschwiegen. Peinlich berührt weggeschaut. Sich schwer getan, Empathie mit den Opfern zu zeigen. Obwohl die Opfer, etwa die Raver_innen oder Kibbuzniks, ihnen politisch und subkulturell doch in aller Regel deutlich näher standen als die Täter. Schlimmer noch. Viele Linke haben, spontan oder auch noch Monate danach: den 7.10. gerechtfertigt. Oder gar: euphorisch gefeiert. Als “Ausbruch aus dem Gefängnis”, aus dem “KZ Gaza”. Spätestens mit dem Fortschreiten der israelischen Offensive gegen die Hamas, der auch viele Zivilist_innen zum Opfer fielen, haben sehr viele Linke in den Intifada-Chor des Israelhasses eingestimmt.

Wie kommt es zu dieser: Verkehrung? Bis hin zur: Verehrung der sogenannten “Märtyrer”, wie auf manchen linken Demos im Sprechchor „Glory to our martyrs“? Dahinter stecken natürlich: latente antisemitische Impulse. Wieso sonst würde ein Staat von der Größe Hessens weltweit solche Aufmerksamkeit auf sich ziehen? Solche Affekte! Die sonst so hochgehaltene Intersektionalität weicht der Unilateralität, der Uninformiertheit über andere Herrschaftsverhältnisse. Diversity weicht der hippen Uniformität des Palästinensertuchs. Wie eine religiöse Monstranz: um die Schulter gehängt. Um den Kopf gewickelt. Um die Hüfte. Dazu: Hamas-Dreiecke noch und nöcher. Gezeigt mit den Händen, gesprüht an den Wänden.

Die Wenigen, die sich dem Melonen-Mob öffentlich entgegen stellen: werden verbal eingeschüchtert, geoutet, mit physischer Gewalt bedroht. Zielscheiben von Beleidigung, Boykott, Buttersäure, Brandanschlag.

Die einen und die anderen Grenzen
Sicher: zwischen Israel und Palästina verläuft eine der vielen physischen und materiellen Grenzen, die zwischen dem Westen und dem sog. Globalen Süden verlaufen. Das zeigt schon ein Blick auf die schlechten Lebensumstände und Einkommensverhältnisse in den palästinensischen Gebieten. Die dringend verbessert werden müssen. Jedoch: verläuft auch zwischen Israel und dem Rest der Welt eine Grenze. Eine ganz andere. Nämlich: die zwischen dem einzig jüdischen Staat, der im Namen der Shoah-Überlebenden zu sprechen beansprucht, und den ca. 189 nicht-jüdischen Staaten. Zudem verläuft auch eine weitere andere Grenze: zwischen den 100.000en Juden, die aus arabischen Staaten nach Israel geflohen sind – und den muslimischen Mehrheitsgesellschaften, in denen sie einst lebten. Und auch innerhalb Gazas verläuft eine andere Grenze: zwischen religiöser Herrschaft und zivilgesellschaftlichem Widerstand. Der von knüppelnder, schießender, folternder Hamas brutal bekämpft wird, die viele Oppositionelle schon zur Flucht zwang. Eine inner-palästinensische Grenze auch: zwischen dem Kapital und dem Proletariat. Dessen gewerkschaftliche Organisierung von den milliardenschweren Hamas-Kadern ebenfalls mit Gewalt bekämpft wird. Und Grenzlinien zwischen “weißen” und Schwarzen Palästinenser_innen. Letztere oft Nachkommen von Sklaven, die vielfach diskriminiert werden.

Gegen Islamismus, mit Islamisten?
Es ist ein antirassistisches Missverständnis, “Unterdrückte” müssten automatisch Mitglied einer religiösen Terrormiliz werden. Und dennoch ist, ohne platt gleichzusetzen, immer mitzudenken: Rassismus existiert. Selbstverständlich. Gerade in (ehemals) Blut-und-Boden-Deutschland. Wo Menschen, die als Palästinenser_innen geflohen sind, als Staatenlose zum Teil Jahrzehnte ohne Staatsbürgerschaft leb(t)en. Ohne Arbeitserlaubnis, mit Duldung. Unter dauernder Abschiebedrohung. Am Rande der Gesellschaft. In Deutschland, wo zunehmend Mittel der politischen und antisemitismuskritischen Bildung eingespart werden: aber ein Bekenntnis zu Israel für Einbürgerungstests instrumentalisiert werden sollte. In Deutschland, wo als Antwort auf islamistische Messer-Angriffe die islamistischen Taliban gestärkt werden. Durch ideologische Verharmlosung, und durch Kooperation. Terroristen sollen nach Afghanistan verbracht werden. Wo sie, gehts nach den deutschen Behörden, vor Ort ruhig weitermorden könnten. Aus linker Sicht ist es aber egal, ob Deutsche oder Afghanen Attentaten zum Opfer fallen: niemand hat ein solches Schicksal verdient. Kein Mensch!

Kosmopolitische Solidarität gegen Antisemitismus
Die Linke sollte fest an der Seite der Jüd_innen in Deutschland wie in Israel stehen, wenn diese angegriffen werden. Die Reaktion auf den 7.10. ist theoretische und praktische Antisemitismuskritik: bei Islamist_innen, Rechten, Linken, der bräsigen Mitte. Ganz konkret, ohne Relativierung. Weder Kultur, Religion, noch die Zugehörigkeit zu bestimmten politischen und subkulturellen Milieus soll die Kritik abschwächen. Sie darf aber nicht in den vielstimmigen Chor der verallgemeinerten Menschenfeindschaft einstimmen. Ein Kanon, der mittlerweile von AfD über BSW bis hin zur SPD (“im großen Stil abschieben”) und den Grünen gesungen wird. Antisemitismus lässt sich nicht abschieben, nicht externalisieren.

Als Linke brauchen wir: eine globale Perspektive. Lassen wir uns nicht auf die Spaltung der Menschheit in Ethnien und Nationen ein. Lasst uns eintreten für eine kosmopolitische Weltgesellschaft, jenseits von Angst, Abschiebeflügen und Antisemitismus. Wenden wir uns gegen Judenhass, wo immer er auftritt: ob auf dem Volksfest, dem Club oder im AZ. Ob auf Twitter, TikTok oder im Gaming. Ob im Betrieb, Schützenverein oder der Moschee. Ob in Pirna, auf der Sonnenallee oder im Regierungsviertel!

gruppe 8. mai [athen / berlin / cincinnati]